Sind Lieferdienste die Totengräber der Gastronomie oder sägen sie am eigenen Ast?

5 schnelle Punkte zum Mitnehmen:
  1. Drei von zehn Österreicher:innen haben in den letzten vier Wochen einen Lieferdienst für Essenbestellungen genutzt oder Essen bestellt und selbst in der Gastronomie abgeholt / mitgenommen.
  2. Die Essensbesteller:innen haben also mehrmals im Monat Kontakt mit der Gastronomie, sitzen aber nicht im Lokal und füllen es nicht mit Leben, sie haben keinen zusätzlichen Spontankonsum, trinken keinen Kaffee oder ein zweites Glas Wein. Mit anderen Worten: Die Gastronomie steht vor dem Problem, dass ihr profitabler Umsatz verloren geht.
  3. Jüngere und mittlere Altersgruppen bis etwa 40 Jahre – also die Generationen Z und Y – weisen die höchsten Nachfragepotenziale auf. In diesen Altersgruppen warten deutlich mehr (25%) als in der Gesamtbevölkerung (17%) mehrmals pro Monat auf den Lieferdienst, bevor der Tisch gedeckt wird.
  4. Die Möglichkeit der Selbstabholung nehmen wiederum eher Gen Y und X in Anspruch.
  5. Grundsätzlich sind Lieferdienste eine urbane Realität, strahlen aber auch immer stärker in die Fläche der Bundesländer ab. Lediglich in Oberösterreich hinkt die Nutzung hinterher.
Die Ergebnisse im Detail:

Nutzer:innen von Lieferdiensten für Essen sind eher jünger und leben im großstädtischen oder zumindest semi-urbanen Raum der Landeshauptstädte bzw. der Stadtgemeinden. Selbstabholung wiederum spielt in den westlichen Bundesländern und im Flächenbundesland Niederösterreich eine größere Rolle als im restlichen Bundesgebiet. Der typische Selbstabholer ist zwischen 30 und 50 Jahre alt, ist mobil und nimmt eine Abholfahrt in Kauf oder packt am Weg die Essensbestellung für zuhause ein.

Bei den Essensbestellern liegt die Frequenz im Schnitt bei 3 bis 4 Bestellungen pro Monat. Eine Zielgruppe sticht allerdings hervor: Haushalte mit 3 Personen und mehr sind zurzeit am spannendsten. Diese Gruppe macht größenmäßig ein Drittel der Gesamtbevölkerung aus. Viele aus dieser Gruppe nutzen Lieferdienste (24%) oder holen selbst ab (21%). Damit fällt der Anteil der Essensbesteller (40%) in dieser Zielgruppe deutlich höher aus als in der Gesamtbevölkerung. Die Bestellfrequenz in dieser Zielgruppe ist zwar nicht auffällig (im Schnitt 3 Mal pro Monat), aber der Umsatz ist höher (im Schnitt 40 Euro pro Bestellung).

Aus der Perspektive der Lieferdienste gibt es eine Herausforderung: Einerseits benötigen sie die Infrastruktur der Gastronomie um ein Produkt anbieten zu können, andererseits nehmen sie genau dieser Gastronomie Kund:innen weg. Und würden die Lieferdienste attraktiver für ältere Menschen, dann würde es für die Gastronomie noch schwieriger. Ein Teil der Generation X (45 bis 60 Jahre), aber noch viel mehr die Boomer und die Silent Generation (also über 60-Jährige), zeigen den Lieferdiensten und der Essensbestellung noch die kalte Schulter. Die wenigen älteren User von Lieferungen / Bestellungen haben aber ein interessantes Nutzungsverhalten: Wenn der Schritt zur Bestellung einmal gemacht ist, dann bestellen ältere Menschen genauso häufig und geben im Schnitt pro Bestellung mehr als 30 Euro aus. Also müssen sich Lieferdienste fragen, ob technische Barrieren (Lesbarkeit, Bezahlmöglichkeiten, Bestellvorgang…) und Gewohnheiten einer breiteren Nutzung im höheren Alter entgegenwirken. Ein niederschwelliger Zugang, ein einfaches Handling und ein entsprechendes Speiseangebot könnten Lieferdienste zur zusätzlichen Versorgungsoption für Ältere machen.

Und genau die Frage nach dem idealen Speiseangebot wirft die Frage auf, was sich die Österreicher:innen überhaupt bestellen:

  • 42% haben bei der letzten Bestellung nicht lange überlegt und mit etwas Italienischem den Süden auf den Teller geholt. Besonders beliebt ist die italienische Bestellung vor allem bei Mitmenschen zwischen 30 und 50 Jahren.
  • 25% haben generationenübergreifend asiatisch / chinesisch bestellt.
  • 14% bestellten Burger & Co, wobei eine Burger-Lieferung bei der jüngsten Zielgruppe deutlich wahrscheinlicher ist. Ähnliches gilt für türkische Speisen, die auch von den Jüngeren viel mehr nachgefragt werden als von älteren Bevölkerungsgruppen.
  • Für die traditionelle, österreichische Küche als Lieferung / Abholung begeistern sich praktisch nur ältere Menschen.

Thomas Wolfschluckner / Spectra Projektleitung:
„Lieferdienste und Gastronomie sind untrennbar miteinander verbunden – und stehen sich doch im Weg. Restaurants gewinnen durch Lieferungen / Bestellungen Reichweite, bezahlen aber mit halbleeren Lokalen. Lieferdienste brauchen das breite gastronomische Angebot, entziehen den Lokalen jedoch die wichtigen zusätzlichen Umsätze vor Ort.“

Erhebungscharakteristik
Stichprobe:n=1.019 Personen, repräsentativ für die österr. Bevölkerung ab 15 Jahre
Methodik:Quotastichprobe, face-to-face (CAPI) Befragung
Umfrage:52-5091
Feldzeit:Die Feldarbeit fand im Juli / August 2025 statt
Die maximale Fehlerspanne bei 1.000 Befragten beträgt +/- 3,1% (bei einem Konfidenzniveau von 95%)

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